Rundbrief Juli 2020 -
Mit dieser Krise steht die ultimative Eurokrise bevor
„Die nächste Euro-Krise steht bevor,“ schreibt die der Panikmache unverdächtige FAZ. Was ab 2010 Griechenland geschah, droht 2020 Italien. Schon haben Ratingagenturen die Schulden Italiens auf Raschnivieau runter gewertet. Wie 2010 verhandeln 2020 wieder - nur noch zugespitzter - EU-Regierungen in Krisensitzungen über Rettungsschirme und Eurobonds. Waren die billionenschweren Rettungsversuche und die Austeritätsopfer der vergangenen Eurokrise für die Katz?
Der Euro war eine Fehlkakulation der herrschende Klasse in Frankreich und Italien. Sie wollte unbedingt den Euro mit der Hoffnung, unter dem Sparzwang der harten Währung der widerständigen Bevölkerung Zugeständnisse für eine profitablere Wirtschaft abringen zu können. Dieser Plan ist inzwischen am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Dort ließ man sich nicht so leicht wie in Deutschland unter Schröder ein Teil wirtschaftlichen „Kuchens“ abnehmen. Darüber hinaus haben die oberen 10.000 in Frankreich und Italien aber auch den Vorteil der eigenen Währung unterschätzt. Früher konnten sie ihre Währung immer abwerten, wenn die Profitabilität der nationalen Wirtschaft gesunken war. Seit der Einführung des Euro ist das nicht mehr möglich - ein systematischer Wettbewerbsnachteil, insbesondere seit Deutschland die Arbeitsschutzrechte widerstandslos deregulierte. In Frankreich galt dagegen noch bis zum letzten Jahr die 35-Stunden-Woche. Die Verschuldung dieser Länder steigt seither unaufhaltsam, trotz aller Austerität. So liegt der Anteil des öffentlichen Gesundheitssystems am Sozialprodukt in Italien heute bei 6,5 Prozent. In Deutschland ist er drei Prozentpunkte höher. Und trotz des irrsinnigen Sparzwangs hat dies das Auseinandertriften der EU nicht aufhalten können. Vor der Einführung des Euro lag das Vermögen der lohnabhängig Beschäftigten in Italien und Frankreich über dem in Deutschland. Mittlerweile ist ihr Vermögen im Verhältnis zu Deutschland um 40% gesunken. Für Wolfgang Streeck, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, ist das die Zeitbombe des fortschreitenden Verfalls „Italiens, wahrscheinlich mit ein paar Jahren Abstand gefolgt von Frankreich.“
Die Europäische Zentralbank versucht da zwar dagegenzuhalten - jetzt mit Billionen Krisenhilfen. Zuvor hat sie schon für mehr als zwei Billionen Euro Staatsanleihen gekauft - übrigens nicht von den verschuldeten Staaten, sondern von privaten Banken, die auf den Staatsanleihen wie auf heißen Kohlen sitzen. Mehr als ein Schmerzmittel für die Pro-EU denkenden politischen Klasse in ist das aber nicht. Dabei ist Staatsfinanzierung der EZB eigentlich verboten. Die deutsche Regierung sieht da geflissentlich weg. Denn deutsche Konzern haben Vorteile davon: Die Schwäche der südeuropäischen EU-Länder senkt den Wechselkurs des Euro und hilft dem deutschen Export. Das wohl unvermeidliche Scheitern des Euro in der jetzigen Form wird man deshalb wohl kaum zulassen wollen. Wir allerdings müssen die neue Eurokrise fürchten: Neue Austeritätszwänge, Bankenrettungen und die gefährliche Aufblähung der Geldmenge durch EZB und EU werden alles nur noch verschlimmern.
Wir werdenKlugheit, Mut und Solidarität brauchen. In dieser Krise wollen wir 99,9% nicht wieder die 0,1% Reichen und Mächtigen retten. Unser Film „Wer Rettet Wen?“ zeigt eindringlich, wie das in der letzten Krise geschah. Wer aber seine Geschichte nicht kennt, läuft Gefahr, sie noch einmal tragischer zu erleiden. Deshalb entsteht eine neue Version des Films mit Namen „Wer Rettet Wen - Reloaded“.