Auf zur nächsten Jagd – Die Rolle der Ratingagenturen
Der Film führt weiter nach Italien und Spanien. Dort erfahren die Zuschauer Näheres zu den Ratingagenturen. Sie sind private Konzerne und bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen. Die drei Marktführer Moody's, Standard & Poor's und Fitch führen Regie bei der Zuspitzung der Schuldenkrise. Von Ratingagenturen gestützte Wetten treiben die Rendite (Zinsen) der Staatsanleihen in unfinanzierbare Höhen. Spanien muss schon 7% Zinsen zahlen, wenn es Kredite aufnimmt. (Deutschland bekommt mit AAA bewertet sogar noch Geld dazu). Wieder dieselbe Abwärtsspirale wie in Griechenland: Unter Druck versprechen die Regierungen zu sparen. Doch immer rigorosere Sparprogramme ruinieren die Wirtschaft, vermindern die Steuereinnahmen und steigern die Schulden noch weiter – ein Teufelskreis.
Wie schon in der „Asienkrise" von 1997/98 stufen die drei Ratingagenturen die Staaten eines Wirtschaftsraums scheibchenweise herab. Dabei verdienen die Eigentümer der Agenturen wahre Reichtümer. Moody's und Standard & Poor's gehören u.a. dem vermutlich größten Händler mit Staatsanleihen: der Tochter des Allianzkonzerns „Pimco". Andere Eigentümer sind Hedgefonds wie Capital World und die Investmentbank Goldman Sachs, die alle aus Staatsanleihen Derivate, also Wetten machen. Und nicht zu vergessen Blackrock, ein Hedgefond, der sich „weltgrößter Vermögensverwalter" nennt. Der Fond hat sich u.a. auf die Übernahme und Ausschlachtung großer Industrieunternehmen spezialisiert. Mit durch Ratings erzwungenen Sparorgien erntet Blackrock angeschlagene Unternehmen wie reife Pflaumen.
Ratingagenturen als Weltrichter
Inzwischen sind S&P, Moody's und Fitch weltweit anerkannte „Richter". Unternehmen, Kommunen, ja sogar Staaten können ohne ihr „Urteil" kaum noch Kredite bekommen. In vielen Staaten, aber auch in überstaatlichen Einrichtungen sind Ratings Bestandteil von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen. Sie werden z.B. bei der Beteiligung an Ausschreibungen oder bei der Beantragung von Geldern zur zwingenden Voraussetzung gemacht. Dabei gebärden sich die Agenturen als eine Art Über-Regierung. Als z.B. Österreich sich im November 2011 anschickte, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen, verschickte Moody's einen Kommentar, in dem die Agentur einen schärferen Sparkurs forderte. Sonst könne das AAA für Österreich nicht gehalten werden. Vor allem bei den Pensionen der Rentner müsse „gespart" werden, Österreich liege bei den Pensionskosten international ganz vorne. Moody's erwarte, dass wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit auch die Opposition der Schuldenbremse zustimme. Regelmäßig zu jedem Sparbeschluss in Griechenland, Spanien oder Italien fordern die Agenturen Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, erweiterte Leiharbeit, Niedriglohnlobs, Kürzung des Arbeitslosengelds, Senkung von Löhnen und Renten, Verkauf öffentlichen Eigentums etc. Und das sind nicht nur Meinungsäußerungen: Die Drohung mit der Herabstufung wird in der Regel postwendend umgesetzt. Dann müssen die betroffenen Länder höhere Zinsen für Anleihen zahlen – das ist brutale Erpressung!
Die Ratingagenturen sind die Speerspitze einer Unternehmenskultur, die jede Verantwortung ablehnt, Gewerkschaften hasst und in jeder Millisekunde maximale Profitorientierung betreibt. Die drei Marktführer erwirtschaften durchschnittlich die Traumrendite von über 40%. Die Qualität ihrer Expertisen ist jedoch oft fragwürdig. Beim Crash 2007/2008 haben die Agenturen die Auslöser der Krise, die verbrieften Immobilienkredite, bis zur letzten Sekunde mit AAA bewertet. Wer gegen solche Irreführung klagt, scheiterte bisher immer. In ihren Geschäftsbedingungen bewerten die Agenturen ihr Tun als freie Meinungsäußerung. Und auch die Gerichte beurteilen das so. Dies ist ein Hohn. Selbst Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker bezeichnet die Agenturen als effektive „Brandbeschleuniger", die in der Lage sind, große Unternehmen und Staaten zu vernichten.